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Handbewegungen aus nicht-invasiven Hirnsignalen vorhersagbar

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Informationsdienst Wissenschaft

Pressemitteilung

Handbewegungen aus nicht-invasiven Hirnsignalen vorhersagbar
Katrin Weigmann, Press office
Bernstein Centers for Computational Neuroscience
09.04.2008
Experimenteller Aufbau. Die Versuchsperson bewegt den Joystick willkürlich in eine von vier Richtungen, gleichzeitig wird die Gehirnaktivität mittels MEG (Sensoren innerhalb der weißen Haube) und EEG (nicht sichtbar) aufgezeichnet.
Experimenteller Aufbau. Die Versuchsperson bewegt den Joystick willkürlich in eine von vier Richtungen, gleichzeitig wird die Gehirnaktivität mittels MEG (Sensoren innerhalb der weißen Haube) und EEG (nicht sichtbar) aufgezeichnet.
Bild: Carsten Mehring
Topographische Darstellung des Informationsgehalts über Bewegungsrichtungen. Der Kopf ist von oben gezeigt, die Nase weist nach oben. Gehirnbereiche, aus denen die Bewegung mit hoher Genauigkeit ausgelesen werden konnte, sind rot markiert; Bereiche mit niedrigem Informationsgehalt blau. Informationen über die Bewegungsrichtung der rechten Hand konnten vor allem aus den linken  motorischen Cortexarealen abgegriffen werden.
Topographische Darstellung des Informationsgehalts über Bewegungsrichtungen. Der Kopf ist von oben gezeigt, die Nase weist nach oben. Gehirnbereiche, aus denen die Bewegung mit hoher Genauigkeit ausgelesen werden konnte, sind rot markiert; Bereiche mit niedrigem Informationsgehalt blau. Informationen über die Bewegungsrichtung der rechten Hand konnten vor allem aus den linken motorischen Cortexarealen abgegriffen werden.
Bild: Carsten Mehring
Wissenschaftler aus Freiburg und Tübingen eröffnen neue Wege zur Steuerung von Prothesen und Computern durch Gehirnaktivität
"Brain Machine Interface" (BMI) sind Technologien, die es erlauben, mit Signalen aus dem Gehirn Computer oder Prothesen zu steuern. Wissenschaftler hoffen, dass schwerstgelähmte Patienten mit diesen Methoden in Zukunft künstliche Gliedmaßen mit ihren Gedanken steuern können wie einen eigenen Körperteil. Grundsätzlich unterscheidet man invasive und nicht-invasive BMI-Technologien - je nachdem, ob die neuronale Aktivität mit feinen Elektroden abgeleitet wird, die in das Gehirn implantiert werden müssen oder mit Sensoren, die auf der Kopfhaut angebracht werden. Nicht-invasive Technologien haben den offensichtlichen Vorteil, dass sie wesentlich leichter und nahezu risikofrei zu handhaben sind. Dafür haben sie den entscheidenden Nachteil der deutlich geringeren räumlichen Auflösung. Gemeinsam ist es Freiburger und Tübinger Forschern nun dennoch gelungen, ein Bewegungssignal aus der Großhirnrinde nicht-invasiv abzuleiten, welches bisher invasiven BMIs vorbehalten war. Die Arbeit der Wissenschaftler um Carsten Mehring (Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und Universität Freiburg) wurde in einer aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Journal of Neuroscience" veröffentlicht.

Invasive und nicht-invasive BMIs unterscheiden sich nicht nur in der technischen Vorgehensweise, sondern auch darin, auf welcher räumlichen Ebene neuronale Signale zur Steuerung von Bewegungen abgegriffen werden. Bei nicht-invasiven Methoden wird die Gehirnaktivität durch die knöcherne Schädeldecke gemessen, man erhält ein diffuses Bild, wie bei einem Blick durch eine Milchglasscheibe. Typischerweise werden bei dieser Technologie daher Gehirnsignale verwendet, die von großen Neuronengruppen erzeugt werden. Patienten oder Probanden müssen beispielsweise durch intensives Training lernen, willentlich bestimmte elektrische Spannungsschwankungen in der Hirnrinde hervorzurufen, die dann zur Steuerung eines Cursors auf einem Bildschirm übersetzt werden. Invasive Technologien hingegen erlauben es, mit implantierten Elektroden die Aktivität von einzelnen Nervenzellen und kleineren Neuronengruppen direkt aus dem motorischen Cortex abzuleiten - der Hirnregion, die wesentlich für die Durchführung willkürlicher Bewegungen zuständig ist.

Den Wissenschaftlern aus Freiburg und Tübingen ist es nun erstmals gelungen, auch mit nicht-invasiven Methoden spezifische Signale der Bewegungssteuerung direkt aus dem motorischen Cortex auszulesen. Mit Hilfe der Magnetoenzephalographie (MEG) und der Elektroenzephalographie (EEG) konnten sie allein aus der Gehirnaktivität ablesen, in welche von vier Richtungen ein Proband seine Hand bewegt. Mit der EEG werden Spannungsveränderungen an der Kopfoberfläche gemessen, die durch die elektrischen Ströme aktiver Nervenzellen verursacht werden, mit der MEG werden magnetische Signale registriert, die durch diese Ströme entstehen. Gegenüber bisheriger nicht-invasiver Verfahren hat der Ansatz der Wissenschaftler um Mehring einen entscheidenden Vorteil: die Steuerung einer Prothese oder eines Cursors würde ganz intuitiv wie bei natürlichen Handbewegungen erfolgen und somit möglicherweise deutlich weniger Training erfordern.

Im Rahmen einer Folgestudie führen die Forscher nun Versuche mit gesunden Probanden durch, bei denen dieser neue Ansatz zur Ansteuerung eines Computer mit Hilfe nicht-invasiver Gehirnsignale umgesetzt werden soll. Die Wissenschaftler weisen allerdings auch darauf hin, dass die Genauigkeit eines solchen Systems nicht der invasiver Systeme entsprechen wird. Basierend auf den neuen Forschungsergebnissen könnte es jedoch möglich sein einen Teil der Vorteile dieses direkten und natürlichen Ansatzes zur Prothesen- und Cursorkontrolle zu nutzen ohne den hohen Risiken einer Sensorenimplantation ausgesetzt zu sein.

Originalveröffentlichung:
Waldert, S., Preissl, H., Demandt, E., Braun, C., Birbaumer, N., Aertsen, A. & Mehring, C. (2008).
Hand movement direction decoded from MEG and EEG. J Neurosci. 28(4):1000-8.
doi:10.1523/JNEUROSCI.5171-07.2008

Kontakt:
Dr. Carsten Mehring
Institut für Biologie I &
Bernsteinzentrum für Computational Neuroscience
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Hauptstr.1, 79104 Freiburg
Tel.: ++49-(0)761-2032543
E-mail: mehring@biologie.uni-freiburg.de

Stephan Waldert
Institut für Biologie I &
Bernsteinzentrum für Computational Neuroscience
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Hauptstr.1, 79104 Freiburg
Tel.: ++49-(0)761-2032911
E-mail: waldert@bccn.uni-freiburg.de

Die Bernstein Zentren für Computational Neuroscience in Berlin, Freiburg, Göttingen und München werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

URL dieser Pressemitteilung: http://idw-online.de/pages/de/news254598

Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie und Biotechnologie, Medizin und Gesundheitswissenschaften
überregional

Forschungsergebnisse, Publikationen
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